Handlungsoption: Diskriminierungssensible Elternschaft zur Weihnachtszeit
Wenn ihr auch so geschäftstüchtige, kluge und hartnäckige Kinder habt, wie ich, freut ihr Euch vielleicht über diese kleinen Handlungsoptionen. Sie kommen in der Vorweihnachtszeit zum Einsatz und wurden von mir erprobt und mit dem Qualitätssiegel “gut”, manchmal auch „göttlich“, versehen.
Ihr erkennt den richtigen Zeitpunkt an folgendem Verhalten der Kinder und Jugendlichen in eurem Umfeld:
- Wenn plötzlich alle Kinder auch die Jugendlichen und selbst die, die sonst nur unter großem Protest oder mit KI schreiben, selbständig ausgefallene Wunschzettel in mehrfacher Ausgabe anlegen und distributen (verteilen).
- Wenn die Pubertiere regen Kontakt zu entfernten Verwandten aufbauen.
- Wenn in der Wohnung viele kleine Häufchen von Mandarinenschalen immer wieder aufs Neue aufploppen, weil der Nachwuchs ständig Clementinen isst und die Schalen überall rumliegen lässt!
- Wenn die Kinder selbst in den Drogerien plötzlich mit gut bestückten Spielzeug-Abteilungen überrascht werden und regelmäßig – eigentlich bei jedem Einkauf – ausgesprochen lange brauchen, um sich von möglichen Geschenken zu verabschieden.
- Wenn die Heranwachsenden bei jedweden Einkäufen kleine Präsente im Einkaufswagen verstecken, um sie unbemerkt durch die Kasse zu bringen.
- Wenn das Pubertier auf einem Polizeiabschnitt abgeholt werden möchte, weil es versucht hat, die Präsente auf anderem Weg (als den elterlichen Einkaufswagen oder das eigene klägliche Portemonnaie) zu bekommen!
Wenn mindestens drei dieser Indizien zur gleichen Zeit stattfinden, dann ist es soweit:
In den anschließenden vier Wochen werdet ihr gnadenlos ausgebeutet. Hütet Eure Geldbeutel wie eure Augäpfel (was für ein Spruch!)!
„Das-will-ich-auch“s laufen auf allen Endgeräten in Schleife, sie hängen an Bushaltestellen, in der U-Bahn,…. Egal wo unsere Zöglinge hinkommen, die „das-will-ich-auch“s sind in diesen vier Wochen das Hauptthema in allen Kinder und Jugend Gesprächen, lokal und global.
Zu dieser Zeit findet dann auch noch dieser unnötige Nikolaus-Tag statt, den ich jedes Jahr aufs Neue unter den Tisch zu kehren versuche. An diesem Feiertag werden nämlich die Eltern in Deutschland genötigt, Süßigkeiten und andere Geschenke über Nacht heimlich in die Stiefel ihrer Kinder vor der Haustür zu stecken. Dafür können sie von den Kindern verlangen, diese Schuhe zu putzen. Am nächsten Morgen geben sich die Eltern ganz erstaunt. Manche glauben echt, die Kinder würden nicht checken, dass sie selbst die Stiefel gefüllt haben. Die Kinder spielen natürlich mit, sie wollen die Präsente! Vielleicht war das mal sinnvoll, in einer Zeit, in der der Nachwuchs keine Nikes wollte. Ganz ehrlich, vielleicht sollte ich meine Kinder mal das ganze Schuhregal putzen lassen, die nehmen nämlich meistens nur meine Gummistiefel, da passt am meisten rein. Aber nicht ihre eigenen Schuhe!
Ich habe meinen Protest jedes Jahr auf unterschiedliche Art kundgetan.
Einmal bekamen sie Zwiebeln und Kartoffeln und anderes gesundes Gemüse in die Stiefel. Die Gesichter hättet ihr sehen sollen! Während ich trocken feststellte, dass ‘der Sack von Nikolaus’ schon leer gewesen sei, als er hier ankam. „Er hatte nur noch seine Kartoffeln und Zwiebeln für das Abendessen. Ich habe ihm gesagt, dass das echt nicht nötig sei und ich den Kindern das schon erklären würde. Aber er bestand darauf und hat sein Abendessen in die Stiefel gesteckt… Gott sei Dank war es nicht gekocht!” bemerkte ich zum Schluss der herausfordernden Rede – ich wollte so unendlich gerne laut lachen.
Die Kinder, die ja wussten, dass ich die Übeltäterin war, nahmen mich kritisch unter die Luke.
“Woher wusstest Du denn, dass der Nikolaus da war?”
“Er hat leise geklopft”
Regelmäßig vergesse ich auch, Nikolaus Süßigkeiten zu kaufen. Da die Regale in den Läden schon lange Zeit vorher voll gestopft werden, sind sie keine Hilfe für mein Erinnerungsvermögen. Dieser Termin steht auch nicht in meinem Kalender, nie! Wir feiern es dann einen Tag später.
Alle meine Kinder wissen natürlich um mein Defizit bez. Nikolaus, und haben im Laufe der Jahre einige Strategien entwickelt, um mich darauf vorzubereiten.
Hier ein Klassiker:
„Mama, weisst du bald ist Nikolaus,“ liebäugelt das kleinste Kind gewöhnlich ein paar Tage vor diesem Feiertag. Er folgt dabei den Anweisungen der Größeren, die es auf dieses Gespräch vorbereitet haben und das Gespräch nun interessiert verfolgen.
“Wir müssen noch die Stiefel putzen,” stellt das Kind selbstlos fest. “Wieso willst Du Stiefel putzen?“, frage ich unwissend zurück.
“Na damit der Nikolaus uns da Süßigkeiten rein packt!”
“Ist ja cool, wer macht denn sowas? Welcher Nikolaus überhaupt? Kenn ich ihn? Ich sollte ihn kennen, wenn er meinen Kindern Geschenke machen will.”
“Aber Mama, du weißt schon, der Nikolaus halt.“
“Der ist doch schon tot!“
Nun haben sie nur noch zwei Optionen: Sie geben zu, dass sie wissen, dass ich die Geschenke mühsam organisiere, weil der Typ schon tot ist. Oder aber sie sagen nichts mehr, weil sie fürchten, dass ich mich gegen das Füllen der Stiefel entscheide. Die Kinder und Jugendlichen wissen aber gewöhnlich noch nicht, dass sie die Debatte bereits verloren haben und suchen angestrengt nach einer anderen Lösung, z.B. eine phantasievolle Geschichte aus dem Totenreich.
Hier können wir Eltern zu unserem eigenen Amüsement ganz wunderbar eine langwierige Erzählung oder eine Belehrung einbauen. Sie werden definitiv so tun, als ob Sie zuhören. Zeitweilig tun sie es tatsächlich.
Mehrfach habe ich ihnen von dem schrecklichen Nikolaus erzählt, der unsere Stuben zu meiner Kinderzeit heimsuchte.
“Mama, nicht schon wieder, die kennen wir doch schon!”
“Furchteinflößend, stand dieser Typ in beeindruckenden, mit Gold bestickten Gewändern und einer riesigen, ägyptischen Bischofsmütze in unserem Wohnzimmer. Allen Kindern verschlug es den Atem. Vor allem wenn sein Kumpel Knecht Ruprecht auch noch hinter ihm ins Wohnzimmer trat. Knecht Ruprecht war ein übler Geselle in schwarzen Fellklamotten und ge-blackfaced, mit einer großen Rute (Haselzweig zum Vermöbeln der Kinder) in der einen Hand und einem großen Kartoffel- oder Kohlensack in der anderen. Er stopfte die Kinder in den Sack und schlug auf den Sack mit seiner Rute, wenn sie im vorangegangenen Jahr nicht artig waren. Ihr habt echt Glück mit eurem Nikolaus! Unser Nikolaus sah angeblich alles, weil Gott alles sah. Er hatte immer eine Liste dabei, darauf stand geschrieben, ob meine Geschwister oder ich artig gewesen wären. Und all die anderen Kinder aus meinem Dorf, ja von der ganzen Welt standen auf seiner Liste, sagten die Erwachsenen damals. Wenn wir artig waren, gab er uns ein langweiliges Geschenk aus seinem Sack. Und wir bekamen immer ein Geschenk, der Typ sah eben doch nicht alles! Hahaha.” Meine Kinder lachen hier gewöhnlich nicht mit. ”Seit 2001 dürfen Kinder in Deutschland nicht mehr geschlagen werden.“ Da hören meine Kinder dann wieder zu. „Aber schon lange Zeit vorher gab es viele Diskussionen dazu, auch in den Nachrichten. So beschloss der Nikolaus lieber alleine, ohne seinen Kumpel zu kommen. Die Kinder hatten Knecht Ruprecht bald und gerne vergessen. Er verschwand einfach, nur seine Rute nicht. Die bekamen wir noch viele Jahre im Kleinformat in die Stiefel gesteckt, beklebt mit weißer Watte und behangen mit Deko und Schokolade. Die Rute gibt es auch heute noch vielerorts! Jetzt ist sie meistens aus Plastik mit Glitzerschnee.”
Ihr könnt diese Situation auch nutzen, um beispielsweise die Medienkompetenz eurer Kinder zu fördern. Hier bietet sich ein Vortrag darüber an, warum sich Kinder nicht mit Unbekannten (Erwachsene getarnt hinter Kinder Profilen) aus dem Internet treffen sollen. Erst recht nicht, wenn sie ihnen versprechen, Süßigkeiten in die Stiefel zu packen. “Warum nicht, wisst ihr warum?” fragt ihr vielleicht euren Nachwuchs dann, damit sie bei der Sache bleiben. ”Genau, weil Du ihm niemals, unter keinen Umständen deine Adresse geben darfst! Und warum ist das so?”…..
Das lässt sich übrigens auch auf besoffene, hybride Weihnachtsmänner anwenden. Vielleicht denken manche, diese Anmerkung wäre nicht kindertauglich- aber mal ehrlich, die Kinder erleben in Berlin während der Vorweihnachtszeit eine Menge besoffene Weihnachtsmänner und andere zugedröhnte Erwachsene – auch Frauen – mit Weihnachtsmützen. Besser: Ihr redet drüber!
Eines Jahres meinte eins meiner Kinder als es gerade in die Pubertät kam:
“Mama, wir wissen doch, dass du das bist, die uns die Sachen in die Stiefel packt.”
„Aber Schatz, ich kaufe doch keine Geschenke, stell’ sie vor meine Tür und tue so, als ob dieser alte weiße Mann sie für meine Kinder gekauft hätte! Schatz, ehrlich, das macht keinen Sinn!“ Das platzte einfach so aus mir heraus, ich war selbst ganz erstaunt und amüsiert über diese neue Wendung.
„Welchen Mann meinst du denn jetzt?“, fragte nun das andere Kind besorgt.
Diese Frage stimulierte wohl meinen Erziehungsauftrag bez. Gender equality, jedenfalls kam ich richtig in Fahrt und schlug 3 Fliegen mit einer Klatsche:
„Na, dieser Nikolaus oder Weihnachtsmann. Als ob wir nicht erkennen könnten, dass das derselbe Typ ist! Als ob wir bescheuert wären! Du hast das doch auch längst gecheckt, oder mein Großer? Der will zweimal kassieren!“
„Aber Mama!“
Kannst Du die drei Klatschen im schräg geschriebenen Text finden und taggen:
Klatsche 1: Mama mag diesen Nikolaus nicht?
Klatsche 2: Weihnachten ist auch in Gefahr!
Klatsche 3: Verwirrung, mein Junge ist nicht bescheuert!
„Ehrlich, das ist doch krank!“ unterbrach ich meine Kinder beim Nachdenken, bevor sie Argumente finden konnten. „Der Typ lebt auf Kosten von armen Eltern wie mir! Stell Euch mal vor, ich würde da mitmachen und wir könnten dann unsere Miete nicht mehr zahlen und müssten im Winter unter der Brücke am Alex (Alexanderplatz, Berlin) schlafen. Das ist doch Mist. Nein, da mache ich nicht mit!”
Ich gönnte dem Nachwuchs eine kleine Verdauungspause.
Und nahm das Wort wieder auf, bevor sie den Mund aufmachen konnten:
“Und ich will auch nicht, dass ihr solche Vorbilder habt! Ich möchte, dass ihr selbstverantwortliche Menschen werdet, die ehrlich ihr Geld verdienen und nicht sowas!“
Die Kinder blieben sprachlos und sichtlich besorgt.
In den nächsten zwei Tagen benahmen sie sich hervorragend!
Im darauffolgenden Jahr zur Vorweihnachtszeit hatte ich das Thema „40 jähriger, 1,70 Meter großer, weißer männlicher Prototyp, der unseren Markt und unsere gesellschaftliche Norm bestimmt“ weiter vertieft und fühlte mich sehr betroffen. Wie viele Jahrhunderte war es Frauen in Europa verboten zu studieren, zu wählen, einen eigenen Namen, eine eigene Stimme zu haben? Wie viele unserer Werke, ob wissenschaftlich oder künstlerisch, wurden von unseren Brüdern und unseren Ehemännern veröffentlicht? Und wie viele unserer Niederschriften von den “heiligen” Männern ad „femina“ gelabelt und zerstört? Wie oft wurden Frauen von archäologischen Teams bestehend aus Prototypen, auf Grund des offensichtlich hohen und/oder kriegerischen Status ihrer Grabbeigaben als “männlich” gelabelt, obwohl Beckenknochen u.ä. ganz anderes offenbarten?
Und wie schwer ist es auch heute noch, uns selbst wertzuschätzen, eine authentische, weibliche Rhetorik zu entwickeln und Anerkennung zu bekommen für unsere Leistung. Ich ergänze: 90% der Alleinerziehenden sind Frauen, 50% dieser Ein-Eltern-Familien leben in Armut, ja, in Deutschland.
Ich konnte keinen Kredit mehr geben, an ein Unternehmen, dessen Logo dieser von Coca Cola initiierte alte weiße Mann war. Und auch nicht mehr an diesen Nikolaus aus meiner Kindheit, der einer Bruderschaft angehörte, die für mich die Hexenverbrennung in Europa, das Lynchen afroamerkanischer Menschen und verdammt viele Genozide verkörpert. Diese ganzen Rothschild-Illuminaten-Freaks gingen mir übel auf die Nerven!
Ich schaffte Nikolaus ab.
Da meine erwachsenen Kinder zum Islam konvertiert waren, verloren die christlichen Feiertage in meiner Familie an Bedeutung. Auch mein Pubertier sah sich schon als Muslime.
“Mama, wollen wir nicht einfach eine Schwarze Frau als Weihnachtsfrau nehmen?” meinte mein kluges Pubertier, damit mir das Weihnachtsfest nicht auch noch verginge.
„Aber Schatz, du bist doch jetzt Moslem und weisst, dass der Prophet Jesus Christus nicht der Sohn Gottes ist. Deshalb feierst du auch keinen Geburtstag für ein Jesuskind unter einem heidnischen Weihnachtsbaum. Noch dazu an einem Tag, an dem der Prophet Jesus Christus gar nicht geboren wurde! – Ohje, es wird bestimmt nicht einfach, wenn deine Christen Freunde nach den Ferien in der Schule mit ihren Geschenken angeben!”
„Aber Mama!”
„Weißt Du was, damit es nicht ganz so schwer für dich ist, feier ich auch kein Weihnachten. Du brauchst mir nichts zu schenken. Ich bin zwar christlich sozialisiert, aber ich verzichte gerne. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Ich hab dich lieb.”
„Muslime dürfen auch Weihnachten feiern, Mama!”, entrüstete sich mein geschäftstüchtiger Junge.
„Nein, ich glaube nicht. Ihr habt doch das Zuckerfest.”
„Ja, aber wir dürfen trotzdem auch Weihnachten feiern!”
„Das glaube ich nicht. Dein großer Bruder feiert doch auch kein Weihnachten! Ich frag ihn mal.”
Ein paar Tage später, auf dem Weg zur Schule im Bus. Der Kleine versuchte sein Glück, schlug geschickt drei Fliegen mit einer Klatsche und hinterließ dabei eine Schleimspur auf meiner Jacke:
„Ach Mama, ich hab dich so lieb. Weißt Du, ich brauche keine Geschenke an Weihnachten. Das Aquarium wäre schon toll, aber eigentlich ist mir das egal. Ich finde Weihnachten so schön, weil dann sind wir alle aus der Familie so gemütlich zusammen und essen was leckeres. Das reicht mir schon. Können wir dieses Jahr Curry Wurst kochen?“
Könnt ihr die drei Fliegen im schräg geschriebenen Text finden und taggen:
Fliege 1: Ich gewinne Mama für mich
Fliege 2: Ich überrede sie, Weihnachten zu feiern
Fliege 3: Ich bringe meinen Bruder zur Weißglut, bis er ausrastet und Ärger bekommt
Als ich in das Gesicht der älteren Frau hinter uns blickte, sie war von der inbrünstigen Ansprache meines Sohnes sichtlich gerührt, hatte ich kurz ein schlechtes Gewissen, bezüglich meiner Zweifel. Ohja, ich hätte ihm auch liebend gerne geglaubt, aber ich wusste es besser.
Um das Ausmaß an Gerissenheit erkennen zu können, braucht ihr folgendes Hintergrundwissen: Bei mir zuhause können sich die jungen Menschen ihre Religion selbst aussuchen, oder es auch lassen. Das führt automatisch zu Konflikten. Wir erleben sozusagen im Kleinformat, was draußen in der Welt so geschieht. Mit einem großen Unterschied. Hier in unserem Kleinformat können wir unmittelbar Einfluss nehmen.
Der Kleine hatte keine Religion und aß besonders gerne Curry Wurst aus Schweinefleisch. Dafür gab es mehrere Gründe:
- Er mochte es wirklich.
- Curry Wurst ist ein traditionelles Berliner Gericht, und mein Junge sah sich als echten Berliner, durch und durch. Das wollte er auch seinen weißen Berliner Mitbürgern und Mitbürgerinnen vermitteln, die in ständig fragten, woher er denn käme. Echte Berliner und Berlinerinnen essen gerne Curry Wurst.
- Unsere Curry Wurst ist so fame (beliebt), dass sogar Touristen aus der ganzen Welt kommen, um die Berliner Curry Wurst zu probieren.
- Auch um sich von seinen großen Brüdern abzugrenzen und diese gelegentlich zu provozieren, eignete sich die Curry Wurst ganz hervorragend.
- Schweinsbratwürste gibt es überall in Deutschland. Und sie sind meistens, außer auf dem Weihnachtsmarkt am Alex, günstiger als Hallal Döner, die das muslimische Pubertier bevorzugte.
- Die Wahrscheinlichkeit, eine Bratwurst zu organisieren, und diese genüßlich vor dem fast – konvertierten, immer hungrigen Bruder zu essen, während dieser um das Brötchen bettelte, war verdammt hoch!
„Oh mein Schatz, wie klug du bist!”, schmeichelte ich ihm und meinte es wirklich so. Er grinste mich schelmisch an, überzeugt von sich selbst und seiner wunderbaren Rede. „Lass es uns so machen, wie du gesagt hast.“ meinte ich ganz selig. Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, ihm wurde ganz plötzlich klar, dass er zu hoch gepokert hatte. „Wir verzichten alle auf die Geschenke, verbringen einfach einen gemütlichen Tag zusammen und essen, worauf wir Lust haben. Currywurst können wir auch gerne machen, aber aus Geflügel, damit die anderen auch davon essen können. Und ich möchte etwas ganz anderes essen. Aber das kriegen wir schon hin, oder?” Zerknirscht nickte der Kurze. „Das war ehrlich eine sehr gute Idee. Danke, das Du das vorgeschlagen hast.” Setzte ich grinsend noch einen drauf.
Etwa zur selben Zeit passierte noch etwas ganz sonderbares, aber doch alltägliches im Rahmen meiner bürokratischen Care-Arbeit.
Ich hatte kürzlich den neuen Praktikumsvertrag meiner Tochter, übersetzt ins Deutsche, an die Wohngeldstelle geschickt. Meine Tochter absolvierte einen unbezahlten Freiwilligendienst im Ausland.
Die Wohngeldstelle konnte meinen Weiterbewilligungsantrag nicht weiter bearbeiten, ihnen fehlte der aktuelle Praktikumsbescheid.
Wir hatten aber keinen Bescheid, nur einen Vertrag. Und die Praktikumsstelle im Ausland hatte Ferien. Also bekamen erstmal kein Wohngeld mehr.
Beim Kindergeldzuschlag (Familienkasse Potsdam) sah es ähnlich aus. Sie wollten, dass ich Ihnen den neuen Kindergeldbescheid (auch Familienkasse Potsdam!!!) schickte, bis dahin erstmal: Leistung eingestellt.
Nun die von der Kindergeldstelle wollten den neuen Praktikumsbescheid um einen neuen Kindergeldbescheid auszustellen. Aus Datenschutzgründen auf dem Postweg. Damit ich es dann kopieren oder einscannen und an dieselbe Adresse zurückschicken konnte. In der Vorweihnachtszeit in Berlin, hahaha, glücklich sind jene, die ihr Paket bekommen, ohne den ganzen Häuserblock abzuklappern! ‘Auf dem Postweg’ dauert ewig und die Items gehen oft verloren. Kindergeld für die Tochter im Ausland eingestellt.
Sogar die Inkassofirma vom JobCenter drohte, meine minderjährigen Kinder hätten irgendwann vor ein paar Jahren ein paar hundert Euro zu viel bekommen und müssten das jetzt, immer noch minderjährig, zurückzahlen. Ich schwöre, irgendwas haut in deren Buchhaltung nicht hin und von Kinderschutz haben die auch überhaupt keine Ahnung! Ich war so froh, dass ich deren Hilfe nicht mehr in Anspruch nehmen musste.
Die BVG und viele andere wollten jetzt auch den neuen Wohngeldbescheid, oder Geld…
Die letzten Monate in diesem Jahr waren finanziell echt hart!
Ganz im Gegenteil zu den anderen Monaten desselben Jahres. Da ging es uns finanziell so gut, dass ich allen meinen Kindern schöne Geschenke machen konnte.
„Ihr habt ja dieses Jahr jeder ein Fahrrad bekommen und mehrere Paar Schuhe – auch Markenschuhe, ein Tablet, ein Telefon, Geld … einfach so, ohne dass Weihnachten oder sowas war,” versuchte ich mich und die Kinder zu überzeugen.“Nein, Mama, Markenschuhe und das Telefon waren an meinem Geburtstag, die zählen nicht! Außerdem habe ich die Schuhe gar nicht von Dir bekommen.”
„Oh, ja, stimmt, sorry Schatz.“
Meine lieben, einfühlsamen Kinder hatten natürlich mitbekommen, dass unsere Kasse gerade nichts hergab und hatten ihre Wünsche stark runtergeschraubt, auf ca 180€ beide zusammen. Sie haben auch versucht, ihre Wünsche auf Freunde und Verwandte zu verteilen. Nicht alle Verwandten verstehen das. Ich habe auch schon erlebt, wie Pubertiere auf Grund ihrer Geschäftstüchtigkeit in der Vorweihnachtszeit von ihren entfernten, erwachsenen (!) Verwandten für mehrere Jahre verstoßen wurden. Ich finde, diese erwachsenen Verwandten, verstehen einfach nicht, dass unsere Heranwachsenden die Zielgruppe (Opfer) Nummer eins von einem riesigen, skrupellosen Unternehmen sind, dessen Logo dieser bärtige, alte, weiße, einflussreiche und berühmte Mann ist.
In diesem Jahr haben wir das Weihnachtsfest so feiern dürfen, wie der Kleine es vorgeschlagen hat. Gemeinsam, innerhalb der Familie sind wir mit selbstgemachten Kerzen, genügend Essen, einem Dach über dem Kopf (Miete bezahlt!) und funktionierender Heizung durch die 12 dunklen, kalten Nächte ins neue Jahr gestiefelt. Ein paar Geschenke bekamen sie von Verwandten und Freunden. Ich habe ihnen auch Geschenke besorgt, im neuen Jahr, als es uns finanziell wieder besser ging und die Sachen auch wieder billiger waren.
Für mich war es eines der schönsten Weihnachtsfeste.
Und hier enden nun auch meine vorweihnachtlichen Handlungsoptionen. Ich hoffe, meine Geschichten haben Euch amüsiert und vielleicht auch ein bisschen nachdenklich gemacht.
Frohe Weihnachten!
Danke an meine Mama fürs Korrekturlesen.