Sonjah Prince

Was machen die mit dem Klopapier?



”Kann mir mal jemand eine Rolle Klopapier aus dem Schrank im Flur bringen?” schreist du durch die leicht geöffnete Bad Tür. 

Da du in einem Land mit viel Toilettenpapier lebst und selbst auch ständig Toilettenpapier kaufst und auffüllst, gehst du natürlich davon aus, dass du es auch nutzen wirst. Aber fast jedes Mal, wenn du selbst am stillen Ort verweilst, stehen oder liegen da nur noch ein paar leere Rollen, an denen ein paar traurige Fetzen Toilettenpapier als Erinnerung hängen.

Wenn Dir das vertraut vorkommt, bist Du wahrscheinlich ein Mensch mit Bildungsauftrag. Dann knallt dein Hilferuf möglicherweise gegen verammelte laut-Musik-hörende-Teenager-Türen und kommt winselnd zu dir zurück. Du schickst ihn nochmal los, diesmal energischer und in die andere Richtung:”Kann mir mal BITTE (!!!) jemand eine Rolle Klopapier aus dem Schrank im Flur bringen, sofort!!!!” Diesmal verirrt sich der Hilferuf vielleicht im Stimmenwirrwarr im Wohnzimmer und kommt gar nicht mehr zurück. 

Das ist ein ganz normales Szenario, es passiert allen Eltern in Ländern mit viel Toilettenpapier. Je mehr Menschen in deiner Familie leben, desto facettenreicher gestalten sich diese Szenarien. 

Hier bei mir sind fünf Kinder aufgewachsen und durch die Badezimmer gestiefelt. Ich habe das Phänomen intensiv erlebt, beobachtet und studiert. Und dennoch konnte ich mir diese eine Frage nie zufriedenstellend beantworten: 

Was machen die mit dem Klopapier? 

Zeitweise dachte ich, sie essen das! 
Und Tatsache, ich erwischte eines meiner Kinder, wie es Toilettenpapier Kaugummi kaute. Das arme Kind bekam nie Süßigkeiten von seiner Mutter! Und es musste nun DIY Kaugummi kauen!

Egal, damit hatte ich kein Mitleid! Außerdem erklärte es auch nicht die Menge Klopapier, die hier immer verschwand. Ich recherchierte ein paar Jahre und konnte folgenden, nicht ordnungsgemäßen Verbrauch feststellen. 

  • Die Kinder verbanden sich imaginäre und kaum sehbare Wunden mit einer Menge Toilettenpapier.
  • Mit Taschentüchern gemischt entstanden daraus Kleider und Bettwäsche für Puppen. 
  • Die Kinder aßen es.

All das, einschließlich der korrekten Nutzung zum Nase schnauben und Po abwischen, war immer noch eine geringe Menge im Vergleich zu der Menge an Toilettenpapier, die täglich verschwand!

Da wir im Büro auch mit Kindern und Jugendlichen arbeiteten, hatten wir dort ein ähnliches Phänomen. Auf der Arbeit nutzte ich am liebsten das größere Badezimmer. Dort stand ein Wickeltisch, die Feuchttücher füllten wir regelmäßig nach und die waren, im Gegensatz zum Toilettenpapier, fast nie leer! 

Nur wenn Teenie Praktikant*innen zum Badezimmer putzen verdonnert wurden. Dann leerte sich nicht nur eine Feuchttücher-Packung, sondern gleich der komplette Bestand. Das allerdings war auch kein unerklärliches Phänomen! Hier ging es um verwöhnte Besserwisser*innen, die eine Menge Dreck machten, aber nie putzen wollten. Wenn wir sie dann doch rhetorisch gewandt überredet hatten- „Hey, das ist Erpressung!“ – wollten sie gewöhnlich nicht in Kontakt mit der Toilette oder diesen Lappen und Schwämmchen kommen und wählten die Wegwerf Variante: Feuchttücher.

„Ja, vielleicht verkaufen die Kinder auch Klopapier an die k-papes Junkies?” Überlegte ich ein anderes Mal belustigt, als ich gerade auf der Toilette saß. Kinder brauchen immer Geld und sind oft weit geschäftstüchtiger als die Eltern es für möglich halten…

„Wirklich viele Menschen in der westlichen Welt sind von Toilettenpapier abhängig.“ Ich spielte mit meinen Gedanken. Es war oft gleichgesetzt mit Grundnahrungsmitteln oder Wasser. Würde heute ein Krieg ausbrechen oder eine Pandemie -na das hatten wir ja gerade erlebt-, besorgten sich die K-Pape Junkies als erstes Toilettenpapier und horteten es. In ihren Kellern? Oder vielleicht stapelten sie es auch im Wohnzimmer und tarnten es mit einer Tischdecke, so dass es aussah wie ein Couchtisch. Ich wunderte mich oft, wo sie solche Mengen verstauen konnten, denn mehr Wohnraum als wir hatten sie ja auch nicht. Die K-Papes Junkies prügelten sich sogar im Supermarkt um das letzte Paket im Regal.

Das machte mir Angst, denn ich wurde in der k- papes Welt geboren und bin dort aufgewachsen.

Aus diesem Grund habe ich mir im Laufe meiner Reisen die deutsche Tradition und Abhängigkeit vom Toilettenpapier abgewöhnt. Ich wusch mich lieber mit Wasser und trocknete mich mit Toilettenpapier, wenn es welches gab. Wie es meine Landsleute schafften, sich mit trockenem Papier gründlich zu säubern? Das wollte ich nicht weiter hinterfragen.

Es ist nicht gesund, die Nase zu tief in die Geschäfte anderer zu stecken! 


Manchmal wurden meine Landsleute übergriffig. Dann entsorgten sie z.B ständig meine Wasserflasche neben der Toilette, aus „hygienischen Gründen“.

Über all das dachte ich nach, als ich aus dem kleinen Badezimmer, da kann mensch die Tür öffnen, ohne von der Toilette aufstehen zu müssen (sehr wertvoll wenn einem die k-papes immer ausgingen) wieder zu meinen Kindern brüllte:

“ Bring mir mal bitte eine Rolle Klopapier aus dem Garderobenschrank! “ 

Diesmal gab es eine Reaktion(!): mein Siebenjähriger und sein Kumpel, der gerade zu Besuch war, vernahmen meinen Hilferuf. Sie fanden es ausgesprochen witzig, mir als Tandem durch die spaltweit geöffnete Tür zu verkünden, dass das Klopapier alle war. Die Super Heros besorgten stattdessen eine Packung Taschentücher. Gleichzeitig nutzte mein einjähriges Enkelkind die Gelegenheit, den ausgesprochen interessanten Ort erkunden zu wollen und quetschte sich durch die Tür. Geschickt und erfahren fichte ich das Paket Taschentücher durch den Spalt und wehrte alle Eindringlinge erfolgreich ab. Der Kleinste verkraftete meinen Move weniger gut und brach schreiend vor der verschlossenen Badezimmertür zusammen. Die Größeren verschwanden sofort wieder. Jetzt war ein ausgezeichneter Moment, irgendeinen Blödsinn zu machen! Das wusste mein Siebenjähriger. Er hatte schon ein paar Jahre Praxis Erfahrung und von den großen Geschwistern wirklich viel gelernt. 

Lange verweilen konnte ich am stillen Ort also eigentlich nie. Ich rettete mein Enkelkind vor einer „verschlossene-Tür-Phobie“ und fand die Rotznasen im Zimmer des großen Bruders. Mit roten Ohren versuchten sie gerade den Computer anzuschmeißen. Glaubten die echt, ich würde so lange auf Toilette bleiben? Pech für sie! 

Während ich also die Oberhand behielt, vergaß ich ‘Toilettenpapier’ auf die Einkaufsliste zu schreiben. Beim nächsten Einkauf besorgte ich es leider nicht.

Auch im Büro war nun das Toilettenpapier aus. Meine Kolleg*innen bemerkten es alle, lautstark. Aber zwei ganze Wochen lang kam niemand von uns auf die Idee, welches mitzubringen. So waren die Feuchttücher auch bald aufgebraucht, und das große Bad im Büro verlor seine Attraktivität.

Als ich von der Arbeit nach Hause kam, war die Toilette verstopft. Neben der Toilette stand eine Küchenrolle. Wahrscheinlich hatte meine 18-Jährige sie dort abgestellt, weil ihre „nervige“ Mutter ständig etwas vergaß und sie hier „der einzige verantwortliche Mensch war“.

Wir hatten bereits in der ersten Corona-Welle festgestellt, die Abreissstücke der Küchenrolle verstopfen die Toilette! Es sei denn, du sägst die Rolle in zwei oder drei Teile, dazu eignet sich ein Brotmesser hervorragend. Dann hat es eine ähnliche Größe wie Toilettenpapier und funktioniert ganz ausgezeichnet. 

Dieses Mal vergaß ich es nicht! Ich schrieb ‘K-Papes’ auf die Einkaufsliste. 

Ich kaufte es auch tatsächlich und fand mich trotzdem wieder im Bad ohne Toilettenpapier! Diesmal auf der Arbeit. 

Ich kaufte es also noch einmal und wunderte mich dann, denn im Garderobenschrank lag schon ein noch fast volles Paket.  

Trotz der beiden Pakete, also ca. 15 Rollen, saß ich am nächsten Tag schon wieder ohne Toilettenpapier auf dem Pott! 

Erst da erkannte ich meine Schusseligkeit, meine Kollegin lachte mich mitfühlend aus. 

Den Tag darauf kamen wir gleichzeitig auf Arbeit an. Wir standen uns gegenüber, jede mit einem Paket Toilettenpapier unter den Arm geklemmt. Wir mussten so lachen. Nun hatten wir auch im Büro zwei Pakete Toilettenpapier. 

 

„Die Feuchttücher sind alle,“ rief die neue Praktikantin aus dem großen Badezimmer:“Habt ihr noch ’ne Reserve, irgendwo?“

“Nimm den Lappen, er hängt unter dem Waschbecken“, prusteten wir zurück.